In diesen Tagen ist mir ein Buch in die Hände gefallen, das allein wegen seiner Größe jedes Format sprengt. Auf 720 grandios gestalteten Seiten zeigt es uns: Selbst ein Shakespeare wächst auf den Schultern von Riesen. Auch die größten Geister reifen mit dem, was sie lesen, sehen und verarbeiten.

 

Günter Jürgensmeier. Shakespeare und seine Welt Verlag Galiani Berlin. ISBN 978-3-86971-118-8

Günter Jürgensmeier. Shakespeare und seine Welt
Verlag Galiani Berlin. ISBN 978-3-86971-118-8

 

Natürlich ist Shakespeares Sprachgewalt uneinholbar. Aber wie ein kreativer Habitus geht, können Sie in diesem Buch auf noch nie dagewesene Weise miterleben. Man muss nämlich wissen: Shakespeare hat sich als jemand verstanden, der Stoffe optimiert. Fast alle seiner Plots sind gesampelt. Das allerdings in unübertreffbarer Form! Das sind meine Take-aways:

1 Die eigene Domäne kennen

Kreativität wurzelt in Wissen. Je besser wir unser Gebiet beherrschen, desto mehr Gedanken können wir verknüpfen. Blättert man in Shakespeare und seine Welt, wird offenkundig: Shakespeare schöpfte nicht nur aus sich selbst. Er kannte und studierte die Großen vor und neben sich: Plutarch, Ovid, Boccaccio, Cervantes, Christopher Marlowe, Montaigne, … – Ihre Einflüsse nahm er auf – und stellte sie komplett auf den Kopf!

Kreativen Habitus pflegen: Gute Ideen kommen nicht von ungefähr. Nur wer viel über seine Domäne weiß, kann einen innovativen Beitrag dafür leisten.

 

2 Über den Tellerrand schauen

Die besten Impulse kommen oft aus fachfremden Bereichen. Das wusste auch Shakespeare: Seine Inspirationsquellen waren breit gefächert. Er verwertete, was ihm unter die Finger kam: Reisebeschreibungen, Flugblätter, wissenschaftliche Werke, Gemälde, bis hin zu Feuilletonistischem und Kuriosem.

Kreativen Habitus pflegen: Raus aus der Filterblase! Schluss mit dem einseitigen Medienkonsum! Konfrontieren wir uns bewusst mit anderen Themen, Meinungen und Ideen als denen, die das eigene Weltbild bestimmen.

 

3 Gutes kombinieren

Den Plot von Hamlet fand Shakespeare in der nordischen Hamlet-Sage, ein weiterer Einfluss war „Die spanische Tragödie“, die ein Dramatiker-Kollege zehn Jahre früher verfasst hatte. Doch auch Kleinigkeiten inspirierten Shakespeare und machten sein Werk welthaltig. Ein Beispiel dafür ist die Szene, in der Ophelia beim Blumensammeln ertrinkt, sie wollte Kränze winden „von Hahnfuß, Nesseln, Maßlieb, Kuckucksblumen“. Genau diese Pflanzen, in genau dieser Reihenfolge sind in einem zeitgenössischen Buch des Botanikers John Gerarde abgebildet.

Kreativen Habitus pflegen: Spielen Sie mit den unendlich vielen Varianten, die Sie bereits vorfinden – und lassen Sie sich daraus zu neuen, eigenen Lösungen anregen.

 

4 Ideen mit Mehrwert aufladen

Innovative Ideen sind interessant und wichtig. Aber noch wichtiger ist es, sie zu Ende zu denken, auszufeilen, ein Niveau zu erreichen, auf dem jedes Detail stimmt. Der Aufwand dafür wird oft unterschätzt. Die Geschichte von Macbeth beispielsweise hat Shakespeare fast eins zu eins von dem Chronisten Holinshed übernommen. Ideenklau? Nicht wirklich. Vergleicht man die Vorlage mit dem Shakespeare-Drama, stellt man fest: Sie haben so viel miteinander gemeinsam wie ein Schrittzähler mit einer Apple Watch.

Kreativen Habitus pflegen: Erkennen Sie gute Ideen, nutzen Sie sie als Keim – und machen Sie das Beste daraus. Im Idealfall etwas, was es vorher so noch nie gab.


Für Shakespeare-Liebhaber, Theatergänger, innovative Vordenker, Literaturwissenschafler und Urheberrechtler: GünterJürgensmeier. Shakespeare und seine Welt. Verlag Galiani Berlin, 815 Seiten, 500 Abbildungen