Privat kennen es viele: Wird die Beziehung schwierig, entziehen sich manche Menschen wie ein Gespenst. Jetzt erreicht die Unsitte auch die Business-Kommunikation.

Ghosting

Erst letzten Monat wieder: Eine sehr renommierte Wirtschaftsuni fragt an, ob ich einen Vortrag über mein neues Buch halten möchte. Das Thema Habitus sei von hohem Interesse für die Alumni der Universität. Per Mail klären wir die Randbedingungen: Fünfzig bis hundert Teilnehmer, 75 Minuten Präsentation und Diskussion, danach Get-together zum informellen Austausch. Ach ja, und für die Teilnehmer bitte ein Handout  …

Zum Schluss bittet mich die Gesprächspartnerin um mein Honorarangebot. Ich weiß: Eine Hochschule ist kein DAX-Konzern und nenne eine Summe, die gerade mal eben meinen Aufwand deckt: Vorbereitung, mehrstündige Anreise, Vortrag, Hotel, Heimreise … Auf meine Mail folgt: kein einziges Wort. Keine Rückfrage, keine Reaktion, kein Kommentar.

 

 

Ghosting – die ultimative Missachtung

Im Privatleben heißt das Verhalten Ghosting. Man trifft sich ein paar Mal, lebt vielleicht sogar schon lange zusammen – plötzlich taucht der andere ab, und ist nicht mehr zu fassen.

Inzwischen zieht Ghosting immer größere Kreise. Ob privat oder beruflich, was anderen nicht auf Anhieb ins Konzept passt, wird weggewischt, ausgeblendet, auf Eis gelegt. Selbst Bewerber gehen so vor. Typisches Beispiel: Eine Handwerksmeisterin hat nach langer Suche eine neue Auszubildende gewonnen. Der erste Arbeitstag kommt – die neue Mitarbeiterin allerdings nicht. Weder die junge Frau noch ihre Eltern denken daran, abzusagen oder eine Erklärung zu liefern.

 

Warum uns Ghosting so nachgeht

  • Es verhindert jede Art von Verständigung.
  • Es verletzt. Auch im Beruf tut es weh, wenn die eigenen Anliegen wortlos ignoriert werden.
  • Es ist das Gegenteil von professionell. Auch berufliche Partnerschaften leben von Verlässlichkeit, Fairness und Kompromissen.
  • Und nicht zuletzt: Machen sich die Ghosts nicht klar, wieviel Nerven sie kosten? Man verhandelt mit ihnen, entwickelt erste Konzepte , vertraut auf sie – nur um am Ende festzustellen: Nicht einmal eine Absage war man der Geistererscheinung wert.

 

Was soll der Spuk?

Warum schaffen es erwachsene Menschen nicht, einen Zwischenbescheid zu geben? Mit Bedauern abzusagen? Ein klärendes Gespräch zu suchen, wenn die Zusammenarbeit hakt? Oder durchblicken zu lassen, warum ein Angebot nicht passt? So schwer, das zeigt meine Kollegin Eva Wlodarek auf ihrem YouTube-Kanal, ist ein wertschätzendes Nein schließlich auch wieder nicht. Und auch wenn wir alle in Kommunikation ersticken: Eine 30-Sekunden-E-Mail geht eigentlich immer.

Psychologen erklären das gespenstische Verhalten mit dem Prinzip der kognitiven Dissonanz – dem unangenehmen Gefühl, das auftritt, wenn Selbstbild und Wirklichkeit auseinanderklaffen. Menschen mit einem schwachen Selbstwertgefühl leider darunter mehr als andere. Ihnen ist es besonders wichtig, vor sich selbst gut dazustehen. Eine schlechte Botschaft zu übermitteln, könnte sie schlecht aussehen lassen. Lieber wählen sie den  einfachsten Weg – und lösen sich in Luft auf. Als würde das die Absage erträglicher machen.

 

Und nun?

Im Grunde bleibt nur der Trost: It’s not about us, it’s about them. Wenn Sie geghostet werden, haben Sie nichts falsch gemacht. Sie sind nur an einen Geschäfts- oder Beziehungspartner geraten, der den Weg des geringsten Widerstands geht. Deshalb: bitte nicht nachtrauern oder hinterhertelefonieren. Denn: „Nachfassen oder Follow-up ist für erfolgreiche Menschen nie eine Option.“ Diese Empfehlung geben die Top-Management-Beraterinnen Dorothea Assig und Dorothee Echter.

Ghosts verdienen es, dass man sie abhakt. Ein unheimliches Gefühl bleibt es trotzdem.