Als Protokollchef im Bundespräsidialamt stand Horst Arnold den Bundespräsidenten Scheel , Carstens, von Weizsäcker, Herzog und Rau zur Seite. Mich verbindet mit ihm unser Engagement im Deutschen Knigge-Rat. Hören Sie von ihm aus erster Hand, wie Diplomatie in Politik und Wirtschaft geht.
Doris Märtin: Herr Arnold, in der Politik ist Diplomatie ein eigener Beruf. Was zeichnet einen gelernten Diplomaten aus?
Horst Arnold: Zum einen das Fachliche. Diplomaten brauchen ein umfassendes Fachwissen über die deutschen außenpolitischen Ziele und die Möglichkeiten innerhalb der bestehenden Bündnisse. Zum anderen zählt die Persönlichkeit: Achtung vor dem Anderen, Fingerspitzengefühl, Verhandlungsgeschick, Fairness, Verschwiegenheit.
Ich vermute, nicht alle Politiker bringen den diplomatischen Feinschliff von Haus aus mit. Wie schnell kann man sich eine diplomatische Rhetorik aneignen?
Das ist von Person zu Person unterschiedlich. Es hängt von der Berufs- und Lebenserfahrung und der menschlichen Aufgeschlossenheit des Handelnden ab. Eine wichtige Voraussetzung ist es, gut vorbereitet in Begegnungen hineinzugehen und sich Hintergrundwissen über den Fachinhalt und die Persönlichkeit des Gesprächspartners anzueignen. Im offenen Gespräch auf sicherem Terrain kommt dann schnell die sprachliche Gewandtheit dazu.
Was können sich Mitarbeiter und Führungskräfte in Unternehmen vom Habitus in der Spitzenpolitik abschauen?
Respekt vor der Würde und Meinung des Anderen und die Bereitschaft zum Kompromiss. Zu den ungeschriebenen Gesetzen der Diplomatie gehört zudem ein harmonischer gesellschaftlicher Umgang miteinander, auch bei unterschiedlichen Standpunkten.
Und welche Verhaltensweisen sind das Gegenteil von Diplomatie?
Voreingenommenheit, Parteilichkeit, Überheblichkeit, Besserwisserei, mangelnde Flexibilität und fehlende Achtung vor dem Anderen.
Manchmal muss man Klartext reden. Das ist in Unternehmen genauso wie in der Politik. Wie spricht man konfliktträchtige Themen diplomatisch und doch unmissverständlich an?
Es kommt darauf an, seine eigenen Maßstäbe und Grenzen klar zu formulieren, ohne den Gesprächspartner persönlich anzugreifen. Indem man auch in extremen Situationen Stil bewahrt, verliert keiner der Beteiligten das Gesicht.
Was wäre für Sie der größte anzunehmende diplomatische Fauxpas?
Eine militärische Auseinandersetzung mit einem anderen Staat ist das Ende der Diplomatie. Übertragen auf die Wirtschaft könnte man sagen: Druck und Aggression zerschlagen Porzellan. Ein Zurück zu behutsamen Formen der Einflussnahme ist danach nicht mehr möglich.
Und was war die größte diplomatische Leistung, die Sie als Protokollchef im Bundespräsidialamt zu stemmen hatten?
Eine Herausforderung ist es, bei bedeutenden Veranstaltungen die Spitzenpersönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft, Kultur usw. in eine harmonische Sitzordnung einzureihen, ohne die Eitelkeit hochrangiger Gäste zu verletzen. Je näher ein Gast am Gastgeber sitzt, umso angesehener ist er ja, umso leichter kommt er ins Gespräch – und das ist für die anderen Teilnehmer sichtbar. Der Protokollchef ist daher gefordert, Persönlichkeiten in eine Rangfolge zu bringen, deren Leistung, Kompetenz und Autorität eigentlich nicht vergleichbar ist. Es gilt, niemanden zurückzusetzen und auch an den weniger begehrten Tischen eine harmonische Atmosphäre sicherzustellen.