Stéphane Etrillard inspiriert die Spitzenkräfte der Wirtschaft – und ist d e r Experte für persönliche Souveränität. Seine Kernbotschaft: Souveränität steht und fällt mit guter Kommunikation.

Stéphane Etrillard

Stéphane Etrillard. © Sylke Gall | Berlin – Köln

 

Herr Etrillard, Sie sagen, jeder kann Souveränität entfalten. Woran merken Sie, dass ein Mensch tatsächlich souverän ist?

Jeder Mensch hat ein Gespür dafür, ob er einer souveränen Persönlichkeit gegenübersteht oder nicht. Souveränität in all ihren Facetten zeigt sich jedoch nicht unbedingt auf den ersten Blick. Für mich bedeutet Souveränität ganz allgemein, in der Lage zu sein, auf die komplexer werdenden Anforderungen des Lebens adäquat reagieren zu können. Das heißt konkret, souveräne Menschen sind sich ihrer Verantwortung – sich selbst und anderen gegenüber – bewusst, sie sind bereit, sich auf Veränderungen einzulassen, können Entscheidungen treffen und selbstbestimmt handeln. Souveräne Menschen kennen sich selbst und sind in der Lage, ihre Persönlichkeit zielführend einzusetzen. Und natürlich verfügen sie über eine ausgesprochen gute Kommunikationsfähigkeit, schließlich ist es die Kommunikation, mit der wir mit anderen Menschen in Verbindung treten. Souveränität ist also eine Eigenschaft, die sich aus mehreren verschiedenen Fähigkeiten zusammensetzt.

 

 Sehen Sie Souveränität eher als ein Handeln oder ein Wirken?

Es ist beides: In der Regel sind es ja die Handlungen des Menschen, die eine Wirkung erzielen. Deshalb sind souveräne Menschen aktiv und bereit, die Initiative zu ergreifen. Niemand würde einem Menschen Souveränität zuschreiben, der zwar wunderbare Ideen hat, sie jedoch nie umsetzt. Souveränität heißt für mich deshalb auch, aus Ideen konkrete Ziele zu entwickeln und sie in die Tat umzusetzen. Im Beruf heißt das natürlich nicht, dass ein Mensch alles selbst erledigen müsste – im Gegenteil: Ohne ein Team, an dessen Spitze eine weitsichtige Führungspersönlichkeit steht, kann selten viel erreicht werden.

 

Erfordert Souveränität ein Hochstatus-Verhalten? Oder kann man auch souverän sein, wenn man zum Beispiel im Job der Rangniedrigere ist? Falls ja, wie?

Souveränität hängt nicht vom beruflichen oder sozialen Status ab. Natürlich kann ein neuer Mitarbeiter, der noch auf den ersten Stufen seiner Karriereleiter steht, ebenso souverän sein wie der seit Jahren erfolgreiche Manager. Wichtig ist zu wissen, wer man ist und was man will. Dann kommt es sehr darauf an, die individuellen Stärken und Fähigkeiten geschickt einzusetzen und sie weiter auszubauen. Im Beruf sind Problemlöser gefragt und das sind Menschen, die wissen, was sie können, und die bereit sind, diese Fähigkeiten einzusetzen. Übrigens ist es auch sehr hilfreich, die eigenen Grenzen zu kennen und sich nicht zu überheben.

 

Ich mag den Spruch: „Fake it, till you make it.“ Kann das So-tun-als-ob helfen, sich zu einer echt souveränen Persönlichkeit zu entwickeln?

Man kann vieles vortäuschen – doch die Frage ist, für wie lange. Zu einem souveränen Auftreten gehört natürlich dazu, das eigene Licht nicht unter den Scheffel zu stellen und die eigenen Leistungen durchaus deutlich zu machen. Doch das erfordert natürlich Substanz. Souveränität lässt sich deshalb nicht vortäuschen, zumindest nicht dauerhaft. Obendrein können Täuschungsmanöver schiefgehen und schnell einen Reputationsverlust verursachen und die eigene Glaubwürdigkeit, die ich für ein überaus kostbares Gut halte, schädigen.

 

Wer ist für Sie ein Vorbild für unangestrengte Souveränität?

Prinzip Souveränität

Stéphane Etrillard
Prinzip Souveränität
 Midas Management Verlag
ISBN 978-3907100943

Da gibt es viele. Ein besonders schönes Beispiel ist jedoch die wunderbare Pianistin Alice Herz-Sommer, die im vergangenen Jahr im Alter von 110 Jahren verstorben ist. Trotz ihrer Inhaftierung in einem KZ während der Nazizeit und weiterer schrecklicher Erlebnisse nach dem Krieg blieben ihr Wille und ihr Lebensmut stets ungebrochen. Sie hatte sogar genug Kraft, um anderen davon abzugeben: ihren Mithäftlingen und ihrem damals kleinen Sohn, dem sie inmitten von Hunger, Leid und Tod eine Atmosphäre der Zuversicht und Geborgenheit schuf. Alice Herz-Sommer war nicht nur ungeheuer begabt, sondern eine überaus starke Persönlichkeit. So hat sie sich mit keiner Silbe jemals über andere beschwert. Viele Menschen zeigten sich von ihrer warmen Ausstrahlung beeindruckt, von ihrer Bescheidenheit und einer ganz besonderen Qualität: Sie war eine sehr gute Zuhörerin, die sich – völlig frei von Arroganz und Überheblichkeit – an allen Menschen interessiert zeigte und dabei ebenso viel Einfühlungsvermögen wie Humor bewies. Die Pianistin ist für mich ein Musterbeispiel an gelebter Souveränität. Weitere Beispiele solcher souveränen Persönlichkeiten sind in meinem Standardwerk „Prinzip Souveränität“ aufgeführt.

 

 Aus Ihrer Erfahrung als Executive Coach: Beobachten Sie, dass Menschen automatisch an Souveränität gewinnen, wenn sie älter oder erfolgreicher werden?

Nein, zumindest was den Erfolg angeht, ist manchmal sogar das Gegenteil der Fall. Beruflicher Erfolg ist oft mit großer Verantwortung, Druck und Zeitnot verbunden – unter diesen Bedingungen verliert man leicht den Draht zum eigenen Selbst. Deshalb rate ich gerade beruflich erfolgreichen Menschen und denen, die es werden wollen, ihre eigene Persönlichkeit besser kennenzulernen. Denn nur dann können sie ihre individuellen Fähigkeiten auch effektiv einsetzen. Wer jedoch über Jahre hinweg gegen die eigene Persönlichkeit handelt und im sprichwörtlichen Hamsterrad gefangen ist, verbraucht unendlich viel Energie, was natürlich nicht unbedingt dazu beiträgt, als Persönlichkeit souveräner zu werden.

 

Wenn jemand souveräner handeln bzw. wirken möchte, wo setzt er am erfolgversprechendsten an?

Jeder hat die Möglichkeit, seine Ausstrahlung zu verbessern und souveräner aufzutreten. Das Wichtigste ist, überhaupt einen Anfang zu machen und sich damit zu befassen, was die eigene Persönlichkeit ausmacht – das betrifft sowohl die eigenen Fähigkeiten als auch die Schattenseiten. Ein weiterer Schritt ist, ab sofort die Verantwortung für die eigenen Entscheidungen zu übernehmen, was schwieriger ist, als wir manchmal glauben. Und drittens: Völlig unentbehrlich für ein souveränes Auftreten ist die Kommunikation. Hier können wir schon schnell erste Erfolge erzielen, wenn wir ernsthaft versuchen, ganz bewusst zu kommunizieren, und uns ins Bewusstsein rufen, was und wie wir etwas sagen. Schon diese Bewusstwerdung der eigenen Kommunikation kann einen Impuls geben, um die eigene Kommunikation zu verbessern und nachhaltige Veränderungen einzuleiten.

 

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