Schmeckt ein Kaffee besser, wenn er Sie an die indische Malabarküste entführt? Das weiß ich nicht. Auf jeden Fall schürt die Assoziation an Schiffe und Monsoon die Lust darauf.
Die Karte zwischen der alltäglichen Werbepost präsentiert sich auf dickem Karton, tiefbraun und dunkelrot. „Eine Reise zum legendären Kaffeegenuss“ steht über dem Bild, das ein Schiffstau und alte Folianten zeigt.
Auf der Rückseite steht: „Die neue Limited Edition nimmt Sie mit ins 18. Jahrhundert an die indische Malabarküste …“ Ich rieche Salzwasser und höre Meeresrauschen und denke an die Geschichten von der Schatzinsel und von Sindbad, dem Seefahrer, die mich als Kind fasziniert haben.
Storytelling: Ein Blick hinter die Kulissen
Nespresso hat es mal wieder geschafft. Normalerweise entsorge ich Werbepost ungerührt. Doch der Kaffee-Hersteller hat meine Aufmerksamkeit errungen und mir Lust auf einen Kaffee gemacht, den ich überhaupt nicht kenne: „Monsoon Malabar, ein Espresso mit überraschend salzigen und holzigen Noten …“. Wie das geht? Story-Marketing heißt der Schlüssel – nicht nur zu meinem Gehirn.
Hier sind die Zutaten, mit denen das Nespresso-Mailing arbeitet.
Der visuelle Anreiz
Das Bild auf der Vorderseite setzt die Szene für den Text: Ein Foliant, eine Taschenuhr und ein Schiffstau genügen als Trigger, und wir befinden uns auf See, irgendwann früher, als Schiffe noch keine schwimmenden Hotels gewesen sind.
Der Protagonist
Jede Geschichte braucht einen Helden und in diesem Fall ist das der Leser selbst – also Sie und ich. Wenn unser Gehirn sich darauf einlässt, setzt der Werbetext das Kopfkino in Gang und wir reisen im Geiste nach Südindien. Zusätzliche Impulse liefert Nespresso im Netz.
Story-Marketing: Das Prinzip des impliziten Lesers
Im Story-Marketing werden Geschichten selten auserzählt. Auch das Nespresso-Mailing reißt die Story nur an und setzt auf das Prinzip des impliziten Lesers. Es wurde von dem Anglisten und Literaturwissenschaftler Wolfgang Iser in seinem Buch Der Akt des Lesens erfunden. Auf einen einfachen Nenner gebracht, bedeutet es: Leerstellen in einer Geschichte regen die Leser dazu an, die Story weiterzuspinnen und selbst zu vervollständigen.
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Das Wording
Wie die meisten Werbetexte umfasst das Mailing für Monsoon Malabar nur wenige Sätze. Umso mehr zählt jedes Wort. Dicht an dicht sind daher die Nomen und Adjektive gesetzt, die eine sinnliche Erzählatmosphäre schaffen: „Reise“, „legendär“, „Küste“, „salzig“, „holzig“, „Segelschiffe“, „Monsoonwinde“
Der Reise-Plot
Von Don Quichote bis zum Road-Movie – der Reise-Plot ist eines der ältesten Handlungsmuster der Literatur. Er verheißt Veränderung und Abenteuer, neue Erkenntnisse und Erfahrungen und führt den Helden der Geschichte heraus aus der normalen Welt hinein „ins 18. Jahrhundert an die indische Malabarküste …“.
Inzwischen habe ich Monsoon Malabar übrigens probiert. Er schmeckt mir gut und ich meine, die Holznoten schmecken zu können. Trotzdem: Mein Lieblingscafé heißt weiterhin Roma. Vielleicht, weil der Gedanke an Michelangelo und Villa Medici mich noch mehr reizt als die Vorstellung von Monsoon und Meer?
Und Sie? Welche Marketing-Stories haben sich in Ihr Gedächtnis gebrannt? Ich freue mich auf Ihre Geschichten!
Was tun, wenn man keine Kapazitäten mehr frei hat? Dazu hat mich die Deutsche HandwerksZeitung befragt. Meine Tipps zur Kundenkommunikation in wirtschaftlich guten Zeiten finden Sie hier.
27. Mai 2015 at 4:43 pm
Glückwunsch und viel Erfolg zum Blog-Start! Sieht gut aus, und die Texte sind wie immer wunderbar.