Manche Fragen sind einfach daneben. Das Seltsame daran: Sie werden besonders oft von Menschen gestellt, die schnell und leicht Kontakte knüpfen.
Bisher habe ich Smalltalk-Neulinge, Introvertierte und Schüchterne im Smalltalk-Seminar ermutigt: „Geben Sie sich einen Ruck. Sagen Sie etwas. Irgendetwas. Der Anfang muss weder tiefgründig noch witzig sein.“
Künftig werde ich mit dieser Empfehlung etwas vorsichtiger sein. Denn es stimmt zwar: Um andere ins Gespräch zu verwickeln, ist fast jedes Wort geeignet.
Mit einer Einschränkung: Was Sie sagen und fragen, darf Ihre Gesprächspartner nicht in Verlegenheit bringen. Nie.
Smalltalk-Fehler: Trügerisches Interesse
Leider ist dies eine Regel, die beim Smalltalk häufig missachtet wird. Und zwar ganz besonders von denen, die es eigentlich besser wissen müssten: Während Introvertierte und Distanzierte sich in Zurückhaltung üben, preschen extravertierte Smalltalker gern mal vor:
- „Ach, Sie wohnen in Butzenhausen. Da kennen Sie sicher die Krugs? Nicht? Oder die Familie Pfeiffer?“
- „Sind Sie auch beim Opernball?“
- „Welches Hotel haben Sie denn gewählt?“
- „In welches Gymnasium geht Ihr Sohn?“
- „Darf ich fragen, wie Sie an Karten für die VIP-Lounge kommen?“
- „Kommen Ihre Kinder an den Feiertagen?“
- „Schöner Schal! Kaschmir?“
Auf den ersten Blick klingen die Fragen unverfänglich. Und wenn alles gut geht, bringen sie den Smalltalk durchaus voran: Stellt sich heraus, dass die neuen Gesprächspartner mit den Krugs benachbart oder auch heuer wieder beim Opernball dabei sind, fliegen die Gesprächsbälle locker hin und her.
Nur: Was wenn nicht?
Knigge-Fauxpas: Die Nase zu tief reinstecken
Was, wenn der Sohn der Gesprächspartnerin es nicht aufs Gymnasium geschafft hat? Wenn der Schal aus schnödem Polyester ist? Oder wenn das befragte Paar womöglich überhaupt keine Kinder hat?
Dann verkommt die Fragerei zur rhetorischen Grobheit. Denn Fragen, die Ihr Gegenüber mit nein beantworten muss, verschieben das Statusgefüge. Sie vermitteln das Gefühl, gewogen und für zu leicht befunden zu werden. Vielleicht rufen sie sogar Misslungenes ins Bewusstsein.
Nichts davon bekommt dem Smalltalk gut. Was soll man schon sagen, wenn man bei einer Frage passen muss und einen offensichtlich gefragten Qualitätsbeleg nicht vorweisen kann: die richtigen Freunde, die richtige Schule, die richtige Freizeitgestaltung …?
Auch wer nicht auf den Mund gefallen ist, macht dann oft die Erfahrung: Man fühlt sich in die Enge getrieben. Und antwortet hilfloser als man im Normalfall ist.
Die Gefahr des sozialen Vergleichs: Einschätzung wirkt abschätzig
Aber nicht nur der Befragte hat einen Schaden. Auch der Frager selbst beschädigt sich. Mag sein, dass er mit seinen Erkundigungen den anderen nur besser kennenlernen möchte. Dabei verrät er sich aber als Snob, der Menschen vornehmlich nach den eigenen Erfolgsmaßstäben beurteilt.
Was dies beim Gegenüber bewirkt, beschreibt der Philosoph Alain de Botton in seinem Buch Statusangst: „Der Kontakt mit Snobs ist deshalb so deprimierend und entnervend, weil wir spüren, wie wenig das, wer wir im Innersten sind – also jenseits von Status -, ihr Betragen uns gegenüber bestimmt.“
Fazit: Selbstbewusste Smalltalker könnten eine deutlich bessere Wirkung erzielen, wenn sie Fragen vermeiden, die auf den sozialen Vergleich abzielen. Nicht umsonst haben die Worte abschätzend und abschätzig den gleichen Wortstamm!
Beispiele für guten Smalltalk: Fragen stellen, die Freude machen
Abschätzende Fragen wirken schnell abschätzig. Drehen Sie daher den Spieß um und stellen Sie wertschätzende Fragen – solche, die Ihrem Gegenüber Gelegenheit geben zu glänzen und so offen formuliert sind, dass Sie ihn auf keinen Fall überfordern:
- „Was ist Ihre liebste Jahreszeit?“
- „Wie verschönern Sie sich den Winter?“
- „Und wie lange spielt Ihr Sohn schon Fußball?“
- „Was begeistert Sie an Ihrem Forschungsgebiet?“
So lernt man sich kennen, ohne dem anderen zu nahe zu treten. Das Interesse, das Sie Ihrem Gegenüber schenken, strahlt übrigens auf Sie zurück. Wer andere zur Geltung bringt, wirkt selbst am allerbesten – freundlich, großzügig und entspannt.
Knigge-Tipp: Wie Sie trotzdem erfahren, was Sie gern wissen möchten …
Zugegeben: Jeder Smalltalk ist auch ein Sondierungsgespräch. Es ist ein verständliches Bedürfnis, Menschen einschätzen zu wollen. Dafür gibt es aber ein eleganteres Mittel als abschätzende Fragen: die Selbstoffenbarung. Erzählen Sie einfach von sich, was Sie vom anderen wissen wollen.
Also nicht: „Und auf welchem Gymnasium ist ihr Sohn?“ Sondern: „Meine Tochter geht ins Anne-Frank-Gymnasium. Bis jetzt ist sie von der Schule ganz begeistert.“
Nun liegt es an Ihrer Gesprächspartnerin, den Gesprächsfaden weiterzuspinnen. Möchte sie über die Schulen ihrer Kinder reden, wird sie das tun. Wenn nicht – dann nicht.
Den Opernball bringen Sie auf die gleiche Weise ins Spiel:
Also nicht: „Sind Sie auch beim Opernball?“ Sondern: „Mein Mann und ich freuen uns schon sehr auf den Opernball. Wir mögen besonders die Balletteinlagen.“
In anderen Worten: Legen Sie einen Köder aus. Aber treiben Sie Ihre Gesprächspartner nicht in die Enge. Nie.
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Souverän beim Smalltalk
Im Smalltalk-Workshop trainieren Ihre Mitarbeiter das Vertrauen fördernde Mitreden:
Wie mache ich von Anfang an einen guten Eindruck auf Geschäftspartner und Kunden ? Wie steuere ich das Gespräch, wie fädle ich mich in eine Gruppe ein? Wie schaffe ich ein angenehmes Klima? Und wie äußere ich mich zu Themen, die mir fremd sind?
Übrigens: Meine Kommunikationsseminare sind so konzipiert, dass extravertierte wie introvertierte Teilnehmer ihre Stärken ausbauen und ihre persönliche Bestform erreichen.
À propos Smalltalk
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